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  • AutorenbildLina Rischer

Brav sein!

Über brave und schlimme Hunde.

Von klein auf lernen wir, dass wir am besten durchs Leben kommen, wenn wir brav sind. Wenn wir brav aufessen, brav zur Schule gehen, eine gute Ausbildung mit guten Noten machen, um dann einen sicheren Arbeitsplatz zu bekommen. Es ist tief in uns verankert, dass Kinder, aber auch Erwachsene brav sein sollten, wir lernen es von klein auf. Das gleiche erwarten wir in der Folge auch von unseren Hunden. Hunde in unserer Gesellschaft sollen "folgen", "hören" oder gar "spuren", neben uns her wackeln und keinen Mucks von sich geben. "Der ist aber ein braver Hund" hört man häufig. Oder eben "so ein schlimmer Hund" – egal wie sich ein Hund verhält, wir öffnen instinktiv sofort die "Brav"- oder die "Schlimm"-Schublade. Die Sache hat aber einen Haken.


Das Problem ist: der Hund ist kein Mensch. Der Hund kennt kein moralisch richtig oder falsch, kein brav oder schlimm. Er zeigt immer genau das Verhalten, das sich für ihn in einer bestimmten Situation lohnt bzw. in der Vergangenheit als die beste Strategie heraus gestellt hat. Ohne Wertung, ohne Hintergedanken. Hunde in unserer Welt sind ständig damit konfrontiert, Erwartungen von uns Menschen zu erfüllen. Sie sollen uns überall hin entspannt an der Leine folgen, in die Stadt, ins Café, in den vollen Park – gleichzeitig sollen sie dann alleine bleiben, wenn unsere Pläne das verlangen. Sie sollen uns trösten wenn wir kuscheln wollen – auf die neue Couch sollen sie bitte nicht, vor allem nicht, wenn wir das bestimmen wollen. Sie sollen im Haus nicht bellen, im Garten nicht buddeln und am Spaziergang mit jedem Hund spielen – aber nur so lange bis wir mit unserem Plausch fertig sind. Dann aber bitte sofort zu uns zurück kommen. Damit sie so schnell wie möglich müde sind, sollen sie 50 Mal dem Ball hinterher hetzen – die Mäusewiese aber bitte nicht umackern und im Wald kein Wild jagen. Tatsächlich sind sie dann auch noch so anpassungfähig und kooperativ all das von uns zu lernen. Und sie haben auch noch Freude dran.


Die Zeit, all diese erwünschten Verhaltensweisen mit ihnen zu trainieren zu üben, haben wir allerdings oft nicht. Wir haben so viel zu tun und es kann sich schließlich nicht alles um den Hund drehen, der muss einfach nebenbei laufen und funktionieren. Für den Hund dreht sich aber alles um uns. Sein Essen, sein Pipi, seine Schlaf-, Spiel-, Auslaufzeiten. Er hat nicht die Wahl. Der Hund kommt auf die Welt, um sich zu ernähren, zu jagen, sich fortzupflanzen – um zu überleben, jeden Tag aufs Neue. Dann kommt er in eine Familie und muss sich einfach mal mit den Gegebenheiten zurecht finden – ob laute Großfamilie, ob Büromensch mit 9-to-5-Alltag, ob freundlicher Mensch, oder einer der meint, er muss eben auch mal explodieren, der "Rudelführer" sein. Dabei ist der Hund ein hoch empfindsames und soziales Wesen und bleibt bei uns, egal was passiert, egal welche Fehler wir machen. Wenn er allerdings auch nur einen einzigen Fehler in seinem Leben macht, denken wir Menschen über Abgabe nach. So ein schlimmer Hund, der passt nicht in unser Leben.


Wir erwarten die Welt von unseren Hunden, jeden Tag. Und genau deshalb verdienen auch sie unseren Respekt, eine liebevolle Führung durch ihr kurzes Leben und eine gemeinsame, faire Sprache ohne Drohungen und Sanktionen. Wir sind es ihnen schuldig, ihnen Verhaltensweisen über Motivation und modernes Wissen über Hundetraining beizubringen und ihre Körpersprache und Gefühle verstehen zu lernen. Das klappt nicht von heute auf morgen und ja, natürlich ist das auch Arbeit – wie jede Beziehung Arbeit ist, solange sie besteht. Nur wenn wir kontinuierlich in Bindung investieren, dürfen wir auch etwas zurück erwarten. Und dazu gehört auch, das Gegenüber mal so zu nehmen, wie es eben ist. So ist das eben.

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